Von den Fastdreitausendern der Julischen Alpen bis zu den leuchtenden Weinreben der sanfthügeligen Brda folgen wir dem smaragdgrün bis eisblau schimmernden Strom der Soča. Kurbeln durch den einsamen Karst zum Lipizzaner-Gestüt und schliesslich nach Piran und Portorož – an die gerade mal 46 Kilometer lange Mittelmeerküste Sloweniens. Was für eine opulente Tour, was für ein Farbenrausch in überwältigender landschaftlicher Vielfalt.
Wer sich dem kleinen Slowenien über den Alpenhauptkamm nähert und aufmerksam dem Verkehrsfunk lauscht, wird zur Hauptreisezeit öfter mal von der Blockabfertigung vor dem Karawankentunnel hören. Dann empfiehlt sich die Anreise über das italienische Tarvisio und den Predelpass.
Die ersten Blicke aus dem Auto auf die monumentalen Julischen Alpen sind fast schon furchteinflössend. Die schroffen, jäh abfallenden Westwände dieses Bollwerks aus Kalkstein wirken schier unüberwindbar. Das sind keine filigranen Türme und Zinnen, sondern mächtige Backenzähne, die hier in den stahlblauen Himmel ragen. Je näher wir über die Mini-Gemeinde Riofreddo und den Lago Predil herankommen, desto unnahbarer, mehr noch unüberwindbarer wirkt das Felsenreich der «Julischen». Kein Geringerer als Gaius Iulius Cäsar, der hier das Municipium Forum Iulii gründete, stand für den Namen Pate. Wie passend.
Die Route hoch zum Predelpass, der zugleich die Landesgrenze markiert, schlängelt sich in wilden Kehren auf 1156 Meter empor. Der Tiefblick auf den mineral-hellblauen Lago Predil lässt einen trotz heftiger Kurbelei frohlocken – ein herrlicher Vorgeschmack auf Slowenien. Eine abenteuerlich-schmale Mautstrasse führt uns in Richtung Nordosten für zehn Euro zum Mangart Sattel auf 1906 Metern. Es gibt nur wenige Buchten zum Ausweichen, die Strasse ist nicht für Gespanne oder übergrosse Camper geeignet. Zum Gipfel des Mangart, mit 2679 Metern einer der höchsten Gipfel der Julischen Alpen, geht es dann nur noch mit Wanderstiefeln weiter – die gehören sowieso bei jeder Slowenien-Tour mit zur Ausrüstung. Der Aufstieg entlang der Grenze erfordert etwas Schwindelfreiheit, entlohnt aber mit grandiosem Panorama über den 1981 gegründeten Triglav Nationalpark, der fast den gesamten slowenischen Teil der Julischen Alpen umfasst. Seit 2003 zählt der Park auch zur Unesco-Liste der Biosphärenreservate. Pflanzenkundler werden sich in diesen himmlischen Sphären zudem über die mittlerweile selten zu sehende Nelkenwurz und das rote Seifenkraut erfreuen. Auch Steinböcke springen gerne mal in diesen Höhenlagen über die Steilhänge.
Zurück im Camper geht es erst mal für geraume Zeit bergab. Schon nach wenigen Kilometern erreichen wir Log pod Mangarton. Das beschauliche Dörflein war einer der zahlreichen Schauplätze der Isonzo Front des Ersten Weltkriegs. Trotz der herrlichen Landschaft ist ein Besuch des Soldatenfriedhofs auch heute noch ein niederschmetterndes Erlebnis. Vor allem, wenn man die Geburtsdaten der aus 22 Ländern stammenden gefallenen Soldaten betrachtet. Kurzer Rückblick: Während des Ersten Weltkriegs war dieser Abschnitt Teil einer 600 Kilometer langen Kriegszone, die sich vom italienischen Stelvio Pass an der schweizerisch-italienisch-österreichischen Grenze durch Tirol, die Dolomiten, die Karnischen und Julischen Alpen und das heute restliche Slowenien bis zur Adria verlief. Der Bergkrieg an der Soča (italienisch Isonzo) dauerte vom Mai 1915 bis zu Oktober 1917 und fand in Höhen bis über die 2000-Meter-Marke statt. Halb Europa war an diesem schrecklichen Krieg beteiligt, allein im Stellungskrieg an der Soča verloren um die 300 000 Soldaten ihr Leben. Etwas weiter unten, südlich, thront die Festung Kluže in einem engen Taleinschnitt. Sie basiert auf einen venezianischen Holzbau aus dem Jahre 1470. Der brutalistisch-anmutende Festungsbau wurde aufwändig restauriert und dient heute als Museum oder vielmehr auch als mahnende Gedenkstätte, um die Schrecken des Krieges anzuklagen – durchaus sehenswert. Wer sich vertieft und aktiv mit der Materie auseinandersetzen möchte, dem sei der hier entlanglaufende «Walk of Peace», der Friedensweg, empfohlen. Er führt von hier aus über mehr als 500 Kilometer vorbei an Geschützstellungen, Kavernen, Lazaretten, Museen, Friedhöfen bis Montfalcone an den Golf von Panzano unweit von Triest. Landschaftlich überwältigend, aber immer mit den Greueltaten des Krieges auf der Tagesordnung – eine möglicherweise ambivalente Erfahrung, die Demut lehrt und zum Frieden mahnt.
Im Kajak-Eldorado
In Boveč haben wir tatsächlich satte 1500 Höhenmeter Bergabfahrt hinter uns. Hier gibt es kaum Fahrzeuge, die kein Kajak auf dem Dach tragen oder gleich einen Anhänger mit zig aufeinandergestapelten Booten hinterherziehen. Boveč ist das Epizentrum des slowenischen Kajaksports. Hier erstrahlt die wunderbare Soča so betörend eisblau, ja fast schon fluoreszierend, dass man allein schon wegen der psychedelischen Farbstimmung unbedingt mal aufs Wasser muss. Hinzu kommen wilde Stromschnellen, magische Kehrwasser und haushohe Blocksteine, die Wasserspiele mit garantiertem Adrenalinausstoss versprechen. Und wer partout wasserscheu ist, kann ja wieder die umliegenden Berge ansteuern. Tipp: In Verbindung mit der Seilbahn führt eine gerade mal einstündige Tour auf den 2500 Meter hohen Prestreljanik. Die Tour ist meist gut besucht, weil dabei ein sieben mal sieben Meter grosses Felstor durchstiegen wird, welches zu beiden Seiten berauschend schöne Ausblicke gewährt. Also, lieber früh aufstehen, sonst herrscht hier akuter Instagrammer-Alarm. Zu einem weiteren Hotspot hat sich der sogenannte «Narnia-Beach» entwickelt. Wir folgen der Route 203 bis zum Abzweig Podclopča. Von dort geht es auf einem neu errichteten und mittlerweile gut beschilderten Wanderweg für 4,5 Kilometer durch den Wald. Hier errichtete Hollywood eine haarsträubende Hängebrücke für den dreiteiligen Kassenschlager «Die Chroniken von Narnia». Die Brücke ist längst wieder verschwunden, aber der längst nicht mehr geheime Ort gilt jetzt als erklärtes Pilgerziel – obwohl es ehrlich gesagt viele, wesentlich schönere Wanderungen rings um Boveč gibt.
Wir schnappen lieber die Räder vom Träger und nehmen den Smaragdweg Richtung Osten unter die Pneus. Dieses touristische Produkt führt uns über das Dorf Soča nach Trenta. Diese Radroute ist ein Traum, quert immer wieder auf schmalen Brücken, den etwas seichteren und smaragd-grün funkelnden Fluss Soča, welcher sich hier durch eine Zauberwaldzone schlängelt.
Slowenien ist mit 20273 Quadratkilometer Fläche gerade mal halb so gross wie die Schweiz. Es liegt am Südostrand der Alpen und grenzt im Norden an Österreich, im Westen an Italien, im Nordosten an Ungarn und im Osten und Süden an Kroatien. Das Land besteht in weiten Teilen aus Gebirge (Alpen, Alpenvorland, Hügelland, Karst). Höchster Berg ist der Triglav in den Julischen Alpen mit 2864 Meter. Fast 60 Prozent der Landesfläche ist von Wäldern bedeckt. In den slowenischen Wäldern sind sogar Wölfe, Wildkatzen und Braunbären zu Hause.
Das Land hat rund zwei Millionen Einwohner. Folglich ist es mit 102 Personen pro Quadratkilometer nur dünn besiedelt. Die Hauptstadt Ljubljana hat lediglich rund 280000 Einwohner.
Den Nordwesten nimmt alpines Hochgebirge ein: die Julier, die Karawanken, Kamniker und Savinjer Alpen. Im Nordosten bestimmen Mittelgebirge und Hügelregionen die Szenerie. Dort gibt es aber auch mehrere Flussebenen. Der Süden besteht zu grossen Teilen aus Karst. Im äussersten Südwesten besitzt das Land schliesslich noch einen kleinen 46 Kilometer langen Küstenstreifen an der Adria.
www.slovenia.info
Der komplette Reisebericht ist im Magazin WOHNMOBIL & CARAVAN zu lesen. Die Ausgabe 1/24 lässt sich online bestellen
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Text und Fotos: Norbert Eisele-Hein
aus dem Magazin: Wohnmobil und Caravan, Zeitschrift Nr. 1/2024