Die Etappenorte in den Bergtälern Graubündens und der Lombardei liegen an der Luftlinie gemessen nicht weit voneinander entfernt – und doch trennen sie teils Welten. Mal sind es liebliche, breite Täler mit saftigen Wiesen, dann wieder schroffe Schluchten, dunkle Wälder oder mediterran anmutende, italienischsprachige Regionen. Auf kleinem Raum trifft man an der italienisch-bündnerischen Landes-grenze eine unglaubliche Vielfalt an.
Wir nähern uns mit dem Wohnmobil den Bündner Bergen und freuen uns auf die bevorstehenden Tage in den Alpentälern, über Pässe und zu idyllischen Camping- und Stellplätzen. Sobald man in Landquart die Autobahn verlässt, fährt man durch die enge, schluchtartige Klus und betritt damit den Eingang zum Prättigau. Tatsächlich beginnt hinter der schmalen Passage eine andere Welt mit malerischen Dörfern, prächtigen Buchenwäldern und Alpweiden, die sich weit über die Bergkämme ausbreiten. Da es bereits am späten Nachmittag ist, möchten wir nicht mehr allzu weit fahren und beschliessen, in Fideris auf dem relativ neu angelegten Stellplatz zu übernachten. Wir werden von den Betreibern freundlich empfangen und freuen uns über diesen ruhigen, aussichtsreichen Platz in der Natur, der sogar Toiletten wie auch Dusch- und Abwaschmöglichkeiten bietet. Auch als Ausgangsort zur Erkundung des Prättigaus eignet sich der Stellplatz wunderbar. So erkunden wir am ersten Ferientag die Fideriser Heuberge, die mit ihren sanften Wiesenhängen für die Bergblumenpracht im Frühling und als beliebtes Skitourengebiet im Winter bekannt sind. Wir wandern auf schönen Pfaden und an kleinen Sumpfseen vorbei und geniessen die warme Herbstsonne.
Eigentlich wollten wir nur für eine erste Übernachtung in Fideris bleiben, doch es gefällt uns hier so sehr, dass wir einen weiteren Tag anhängen, um mit den Bikes via Schiers ins Walser Bergdorf Schuders zu pedalen. Über die imposante Salginatobelbrücke, auf steilen Strassen und über enge Serpentinen erreichen wir die idyllische Hangsiedlung. In Schuders ist unsere Tour noch nicht zu Ende – eine Alpstrasse führt uns weiter tiefer in den Rätikon hinein. Die hellgrauen Felsspitzen des Massivs kommen immer näher, und wir geniessen wunderschöne Blicke ins tief unter uns liegende Salginatobel und auf die Bergwelt vor uns. Beim Grüscher Älpli rutscht mein Hinterreifen auf einmal bei einem steilen Aufstieg auf einem spitzen Stein ab, es knallt, und Sekunden später ist auch schon die ganze Luft aus dem Reifen. Zum Glück haben wir einen Ersatzschlauch und Flickzeug mit dabei, sonst hätte es einen sehr langen Fussmarsch zurück in die Zivilisation gegeben. Leider wurde auch der Mantel beschädigt, so dass wir diesen behelfsmässig mit Klebeband von innen befestigen. Trotz der Velopanne möchten wir noch ein paar Schritte in Richtung Kirchlispitzen gehen, um die Felsnadeln aus der Nähe zu erleben. Die kleine Wanderung lohnt sich sehr, gerne würden wir die Umgebung noch etwas länger erkunden. Aber die Gewitterwolken, die am Himmel aufziehen und die Unsicherheit, ob mein Reifen die Rückfahrt ins Tal übersteht, bringen uns zur Vernunft, so dass wir zu den Rädern zurückkehren. Für einmal gibt es nicht eine rauschende Talfahrt, nur ein äusserst sorgfältiges Abwärtsrollen – immer wieder von einem prüfenden Blick zum Hinterreifen begleitet. Als in Schuders die Luft immer noch im Pneu ist, atme ich ein erstes Mal auf. Hier würde immerhin zwei- bis dreimal pro Tag ein Bus verkehren. Schliesslich erreichen wir den Talboden, die schwarzen Wolken treiben uns zur Heimfahrt an, und mit erstem Donner-grollen erreichen wir wieder unseren Camper. Und das Wichtigste: der Reifen hat standgehalten. Erleichtert montieren wir die Räder auf dem Fahrradträger, gönnen uns eine Dusche und ziehen uns ins Wohnmobil zurück, als das Gewitter sich so richtig entlädt. Noch einmal gut gegangen!
Mehr Prättigau
Es gefällt uns so gut im Prättigau, dass wir am nächsten Morgen nur ein kleines Stück weiterfahren. Um dem Himmel noch ein Stück näher zu sein, biegen wir in Küblis links ab und kurven die engen Kehren ins auf 1300 Meter gelegene Bergdorf Pany hinauf. Oberhalb des Dorfes wartet nicht nur ein herrlich gelegenes Freiluft-Schwimmbad, sondern seit einiger Zeit auch ein einfacher Stellplatz für Wohnmobile. An Sommertagen kann es tagsüber etwas turbulent werden, da sich Wohnmobilisten und Autofahrer die Parkplätze teilen. Doch abends, wenn die Tagesbesucher heimkehren, legt sich eine wunderbare Ruhe über das Dorf, und die Wohnmobilisten können den weiten Blick für sich alleine geniessen. So unternehmen wir gleich nach unserer Ankunft eine kleine Wanderung auf das Chrüz, den Hausberg von Pany. Auf dem Gipfel angekommen, geniessen wir einen beeindruckenden Rundblick. Die hellen Felsriesen des Rätikon zeigen sich in ihrer ganzen Länge – von der Schesaplana über die Drusenfluh bis hin zur Sulzfluh. Wir entscheiden noch auf dem Chrüz, gleich zwei Nächte in Pany zu bleiben, damit wir am nächsten Tag nochmals in den Rätikon aufbrechen können. Frühmorgens lassen wir uns tags darauf vom ersten Bus nach St. Antönien bringen. In der kleinen Walsersiedlung mit den typischen Holz-Stein-Häusern endet die Busfahrt, und wir begeben uns zu Fuss in Richtung Partnunsee. Geschützt zwischen den Felstürmen eingebettet liegt der türkisblaue See ruhig im Morgenlicht vor uns. Wir steigen weiter auf, kommen immer höher ins felsige Gelände und blicken senkrecht zu den massiven Kalk-Felswänden hinauf. Wir überqueren die Grenze nach Österreich und gelangen gleich dahinter zur Tilisunahütte, die nicht nur eine verführerische Speisekarte präsentiert, sondern auch eine einladende Terrasse mit wunderschönem Panorama bietet. Nach einer Hüttenrast erreichen wir über den Gruobenpass eine ausgedehnte Hochebene, bevor der Weg im Zickzack wieder ins Tal hinunterführt. Mit dem Postauto geht es zurück nach Pany, wo wir uns auf die Wohnmobil-Dusche freuen. Abends wirft die Sonne ihre letzten Strahlen über das Prättigau, taucht das Tal in ein warmes Licht und macht anschliessend einem beeindruckenden Sternenhimmel Platz.
Der komplette Reisebericht ist im Magazin WOHNMOBIL & CARAVAN zu lesen. Die Ausgabe 5/23 lässt sich online bestellen.
Text und Fotos: Alexandra Stocker
aus dem Magazin: Wohnmobil und Caravan, Zeitschrift Nr. 5/2023