Der Inselstaat im äussersten Nordwesten Europas, der etwa zweieinhalb mal so gross ist wie die Schweiz, liegt nicht gleich um die Ecke. Die Landschaft des europaweit am dünnsten besiedelten Landes ist durch Vulkanismus und Wasserreichtum geprägt. Das Resultat ist eine faszinierende Szenerie aus zum Teil aktiven Vulkanen, Flüssen, Seen und Wasserfällen, die manchmal wie aus einer anderen Welt wirken.
Wir stehen in dichtem Nebel auf dem Deck der MS Norröna, das Handy empfängt bereits isländisches Handynetz, gemäss GPS-Position sind wir kurz vor der Küste, und einige Möwen umkreisen die Fähre. Der graue Schleier verhindert, dass wir die Küste sehen. Dann, urplötzlich, durchbrechen wir innerhalb von zehn Sekunden die Nebelwand, und vor uns tauchen grüne Berge mit weissen Spitzen im Sonnenschein auf. Wir sehen Island zum ersten Mal und sind gleich vom Anblick begeistert. Island hat unser Herz innerhalb von Sekunden erobert.
Zwei Stunden später fahren wir mit unserem Wohnmobil in Seydisfjördur, einem Hafenort mit gerade mal 700 Einwohnern, vom Fährschiff Norröna. Jetzt gibt es für uns kein Halten mehr. Nach drei Tagen auf der Fähre wollen wir Landschaften entdecken und Abenteuer erleben. Wir müssen nicht lange auf ein erstes Highlight warten. Bereits nach vier Kilometern Fahrt unter blauem Himmel bei herrlichem Sonnenschein taucht ein erster Wasserfall, der 27 Meter hohe Gufufoss, an unserer Route auf. Klar stoppen wir, denn wir wissen ja nicht, ob dies die einzigen Fotos von einem Wasserfall und blauem Himmel bleiben.
Beim Aussteigen aus dem Fahrzeug wird uns bewusst, wie warm es ist. Wir haben alles dabei: Handschuhe, Mützen, Regen- und Skihosen, Winterjacken. Auf alles sind wir vorbereitet, aber nicht auf 20 Grad und Sonnenschein. Den ganzen September haben wir Zeit, um Island mit unserem Wohnmobil zu erkunden. Es soll ein 30-Tage-Roadtrip durch eine wilde Insel zwischen Wasser, Eis und Feuer werden. Da wir kein 4x4-Fahrzeug haben, bleiben uns alle Strassen, deren Bezeichnung mit F beginnt, verwehrt. Diese sind den geländegängigen Fahrzeugen vorbehalten, und es sind die meisten Strassen des Hochlandes, also dem Inneren der Insel. Allerdings gibt es eine Hochlandstrasse, die seit Neustem asphaltiert ist und in der Region des Fährhafens liegt. So steht schnell fest, dass wir nach einem Einkauf in Egilsstaðir, der mit rund 2500 Einwohnern grössten Stadt im Osten Islands, in südwestlicher Richtung dem See entlangfahren, um dann rechts auf die 910 abzubiegen. Zuerst geht es steil bergauf, bis wir auf der Hochlandfläche sind. Danach führt uns die Strasse 62 Kilometer durchs Nichts. Wir begegnen gerade mal vier anderen Autos, ein paar Schwänen und vielen Schafen, bis wir am Ende nach einer grossen Staumauer auf einem kleinen Parkplatz ankommen. Hier wäre Endstation für uns, denn hinter dem Parkplatz beginnt die nicht asphaltierte F-Strasse. Für genau diese Fälle haben wir unsere E-Mountainbikes mitgebracht. Auf diesen legen wir die nächsten zehn Kilometer zurück. Bei der Fahrt über die löcherige Strasse sehen wir schnell ein, dass das wirklich nichts für unser Wohnmobil gewesen wäre.
An unserem Ziel stossen wir bei einem Parkplatz auf eine Wiese, durch die ein kleines Bächlein fliesst. Das Besondere ist, dass das Bächlein rund 40 Grad heisses Wasser führt und ein paar Meter weiter über einen Felsen in einen kleinen Naturpool, den die Einheimischen Laugavellir nennen, fällt. Schnell haben wir die Badehosen an, sitzen im klaren,warmen Wasser und geniessen diesen Ort mitten in der Natur. Kein Wunder, dass wir bereits nach dem ersten Tag auf Island zum Schluss kommen, dass sich die lange Anreise gelohnt hat.
Der komplette Reisebericht ist im Magazin WOHNMOBIL & CARAVAN zu lesen. Die Ausgabe 1/23 lässt sich online bestellen.
Strassen in Island
Die Ringstrasse, die rund um Island führt, ist durchgehend asphaltiert. Auf Brücken besteht vielfach Einbahnverkehr, was aber angesichts des geringen Verkehrsaufkommens kein Problem darstellt. Daneben gibt es kleinere Hauptstrassen, die meist asphaltiert sind, aber bei denen Teil-stücke aus Schotterpiste bestehen können. Die noch kleineren Strassen sind meist durchgehend Schotterpisten, auf denen man immer wieder mit Schlaglöchern rechnen muss. Alle F-Strassen dürfen nur von geländegängigen Fahrzeugen befahren werden. Geländegängig bedeutet: 4x4-Antrieb und höher gelegtes Chassis, so dass man auch Furten durchqueren kann.
Für normale Wohnmobile gibt es genügend Strassen neben der Ring-strasse, die man befahren kann und die zum Teil auch etwas Abenteuer garantieren. Man braucht keine Angst zu haben, stecken zu bleiben, so schlimm sind die Strassen nicht. Da es offizielle Strassen sind, kann man auch auf den Pannendienst zurückgreifen, es könnte einfach länger dauern, bis dieser vor Ort ist. Es ist absolut verboten, mit einem Fahrzeug die Strassen zu verlassen!
Text und Fotos: Rolf Järmann
aus: Wohnmobil und Caravan, Heft Nr. 1/2023