Eine Reise entlang der Panamericana hat immer etwas mehr als nur einen Hauch von Abenteuer. Wenn man dann aber plötzlich noch mit einer Pandemie und all den durch sie bedingten Auflagen, Vorschriften und Einschränkungen konfrontiert wird, dann kann man ganz spezielle Erlebnisse machen.
Anfang November 2019 treffen die Teilnehmer in Buenos Aires ein. Ihr Ziel: mit den eigenen Campern in sechs Monaten die Panamericana «erfahren» durch Patagonien nach Feuerland und von dort entlang der Andenkordillere durch Chile, Argentinien, Bolivien, Peru, Ecuador bis nach Kolumbien. Von Cartagena in Kolumbien sollen die Wohnmobile nach Panama verschifft werden, um dann durch Costa Rica, Nicaragua, Honduras, Guatemala, Belize und Mexiko bis in die USA zu reisen. Die meisten Teilnehmer planen im Anschluss durch die USA und Kanada bis nach Alaska zu fahren. Die Reise haben wir Reiseleiter bis dato bereits acht Mal durchgeführt. Jede Tour war einzigartig und hat uns vor neue Herausforderungen gestellt. Doch dass diese Reise so speziell werden würde, hätte niemand erwartet.
Aus den ursprünglich geplanten 180 werden stolze 251 Tage auf Reisen sowie nochmal über drei Monate stationär in Costa Rica. Aber davon ahnen wir nichts, als wir durch die Hauptstadt Argentiniens spazieren, saftige Steaks verzehren, vollmundigen Rotwein trinken und dem melancholischen Tango lauschen, bevor wir im Hafen von Zarate die Wohnmobile in Empfang nehmen. Wir richten uns für mehrere Tage auf einem idyllischen Campingplatz in San Antonio de Areco ein, ein verschlafenes Provinznest fernab der Grossstadthektik. Einmal im Jahr erwacht der Ort aus seinem Dornröschenschlaf, wenn im südamerikanischen Frühling das grosse «Fest der Tradition» stattfindet. Ein mehrtägiger Anlass, zu dem Reiter aus dem ganzen Land anreisen, ihre Pferde zur Schau und ihre eigene Geschicklichkeit unter Beweis stellen.
Wir sind hautnah dabei, als die Gauchos sich so lange wie möglich auf den widerspenstigen Hengsten halten, teilen Mate-Tee mit den Einheimischen, bewundern ihre aufwendig verzierten Trachten bei den feierlichen Paraden und sehen ihnen abends beim Volkstanz Chacarera zu. Wir tauchen ein in einen sehr authentischen Teil der argentinischen Kultur und erregen gleichzeitig mit unseren Wohnmobilen aus Europa Aufmerksamkeit unter der Bevölkerung. In Europa ist man als Camper nichts Besonderes, aber in Lateinamerika wird man fast täglich von interessierten Menschen angesprochen, die die exotischen Fahrzeuge stets neugierig beäugen und fotografieren.
Auch Walti, unser erster Teilnehmer im Rollstuhl, mischt sich mit seinem Swiss-Trac unters Volk. Das Gefährt wird ihm noch sehr oft gute Dienste erweisen und verschafft ihm Zugang zu Plätzen, die mit dem Auto nicht erreichbar sind. Vor Reisebeginn hatten wir Bedenken, ob die Tour mit dem Handicap möglich sind würde. Dazu muss man wissen, dass Lateinamerika leider nicht gerade für barrierefreie Einrichtungen bekannt ist. Nur ein einziges Mal bekommen wir einen rollstuhlgerechten Bus. Die gibt es quasi schlichtweg nicht. Dennoch kann Walti oft mit, setzt sich während der Fahrt im Bus in den Einstiegsbereich, was zwar sicherheitsmässig nicht den Vorschriften entspricht, aber toleriert wird. Das liebe ich an Lateinamerika: die existierenden Vorschriften sind oft flexibel und verhandelbar, und Hilfsbereitschaft wird oft grösser geschrieben als die geltenden Regeln. Walti muss beim Programm auf vieles verzichten, doch dank der guten Gemeinschaft wird so viel wie irgendwie geht, ermöglicht. Mehrere starke Männer hieven ihn im Verlauf der Reise samt Rollstuhl in wackelige Schlauchboote oder über hohe Absätze hinweg.
Zu Beginn bleibt genügend Zeit, Gasflaschen, Wassertanks und Kühlschränke zu füllen. Beim Briefing besprechen wir die nächsten Fahr-etappen. Ausgerüstet mit Wegbeschreibung, Kartenmaterial und Daten fürs Navi sind alle in der Lage, die geplanten Strecken individuell zu absolvieren. So starten die einen sehr früh, die anderen etwas später, manchmal trifft man sich unterwegs, häufig aber erst abends auf dem Übernachtungsplatz. Im Konvoi trifft man uns nie an. Schliesslich hat ein eigenes Wohnmobil auch viel mit Individualität zu tun, und darauf legen alle viel Wert.
Den kompletten Reisebericht und weitere Informationen über die nächsten Reisetermine von PanAmTour gibt es im Magazin WOHNMOBIL & CARAVAN. Die Ausgabe 5/2021 lässt sich hier online bestellen.
Text und Fotos: Janette Emerich
aus: Wohnmobil und Caravan, Heft Nr. 5/2021